Der Schriftsteller Alain de Botton begeistert mit seinen tiefgründigen und zugleich kurzweiligen Vorträgen sei es dazu was sich hinter “sexy” noch verbirgt bis zu den Medien oder Pessimismus. In der von ihm mitgegründeten “School of life” widmet er sich Themen, die die Menschen schon immer bewegt haben.
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Was steckt hinter Sex und sexy?
Die Faszination von Sex
Die Frage, was die Faszination von Sexualität ausmacht, beantwortet Alain de Botton in seinem Vortrag “How to Think More about Sex“. Seine Kernthese beruht auf der Erkenntnis, dass wir Menschen im Grunde genommen einsame Wesen sind. Einsame Wesen, die sehr genau die eigenen Unzulänglichkeiten, die Schwächen und Abgründe kennen. Einsame Wesen, die den Großteil des Lebens auf sich gestellt verbringen, allein gelassen mit den eigenen Bedürfnissen. Bei der Begegnung mit einem gegenüber, mit dem uns sexuelle Anziehung verbindet, passiert dann das Unglaubliche. Aufgrund der entfachten sexuellen Begierde überwinden wir Zurückhaltung und Schamgefühl. Wir lassen Nähe zu und sind begeistert davon, dass wir angenommen werden. Wir lassen sogar zu, dass unser Intimbereich erobert wird.
Alain de Botton führt Zungenküsse und Oralsex als Beispiele an. Die Vorstellung solcher Sexpraktiken ist nur dann sexy, wenn wir die Person sexy finden, mit der wir diese Dinge tun. Wenn unser Sexualpartner sich bereitwillig auf dieses Abenteuer einlässt und unsere dunkelsten, versautesten Körperstellen erkundet, dann macht das etwas mit uns. Wir fühlen uns nicht länger unrein und schmutzig. Sex hat eine reinigende Kraft. Dadurch, dass wir jemanden gefunden haben, der uns annimmt und akzeptiert, können auch wir uns in unserer Gesamtheit akzeptieren.
Was macht einen Menschen sexy?
Evolutionsbiologen zufolge ist es ganz einfach: gesundes Aussehen ist sexy. Doch das hat seinen Ursprung schon im Mutterleib. Asymmetrien im Gesicht lassen darauf schließen, dass während der Embryonalentwicklung kleinere oder größere Dinge schief gegangen sind. Je symmetrischer und somit harmonischer Gesicht und Körper, umso größer die sexuelle Anziehungskraft. Kritische Stimmen mögen einwenden, dass es hierbei nur um Äußerlichkeiten geht, und dass es Oberflächlich ist, nach solchen Kriterien auszuwählen. Ihnen hält Alain de Botton entgegen, dass viel von uns in unserem Äußeren sichtbar ist. So lassen sich im Gesichtsausdruck auch Charaktereigenschaften erkennen, die als sexy empfunden werden. Humor, Toleranz und Offenheit sind ebenso anziehend, wie eine selbstbewusste und weltgewandte Ausstrahlung.
Was finden wir an anderen sexy?
Entscheidend dafür, wovon wir uns angezogen fühlen, ist unsere Biographie und unsere ersten Bezugspersonen. Aber wir suchen nicht, wie Freud angenommen hätte, unbewusst nach Abziehbildern unserer Väter und Mütter. Vielmehr versuchen wir uns mit unseren Sexual- und Lebenspartnern zu vervollständigen. Die Komplexität der Partnerwahl sorgt dafür, dass wir weit entfernt davon sind, alle nur auf den einen bestimmten Typ Mann oder Frau abzufahren.
Zu viel oder zu wenig?
Bleibt die Frage, wie es uns gelingt die richtige Balance zu finden. Die eine Gruppe hätte nichts dagegen einzuwenden ein aufregenderes Sexleben zu haben. Die anderen beklagen, dass Sex sich bei ihnen zu einer Obsession entwickelt hat.
In Paarbeziehungen leidet das Sexleben meist darunter, dass wir wirklich alles gemeinsam mit einer einzigen Person erleben wollen. Wir wollen zusammen mit unserem Partner den Müll raus bringen, die Kinder großziehen, miteinander schlafen, die Inneneinrichtung unserer Wohnung gestalten und die Buchführung erledigen. Die Sexualität geht zwischen all diesen Verpflichtungen leicht unter. Wenn wir unser Sexleben wieder bereichern wollen, hilft es, sich daran zu erinnern, wie es am Anfang war. Da war es unser einziges Ziel, den anderen ins Bett zu kriegen, um Sex zu haben. Wer damit Schwierigkeiten hat, dem bietet de Botton scherzhaft an es mit einer Website zu versuchen, auf die man ein Nacktfoto des Partners hochladen kann. Die Vorstellung, dass andere den eigenen Partner nackt sehen können und sich dabei selbstbefriedigen, kann die Lust neu entfachen.
Einen neuen Rahmen schaffen
Ähnlich wirksam ist die Flucht von Zuhause in ein schönes Hotelzimmer. Die räumliche Trennung von allen sexhemmenden Verpflichtungen wirkt Wunder.
Gegen ein zu viel an Sex hilft es, sich bewusst zu machen, welche Mechanismen hier wirken. Sexsucht kann als Ablenkung dienen, man kann gut dabei abschalten und denkt nicht an belastende Dinge. Doch wie bei jeder Sucht muss erst die Dosis ständig erhöht werden und irgendwann holen einen die Probleme sowieso ein. Damit wir auf dem Weg zu dieser Erkenntnis keinen zu großen Schaden anrichten, sollten wir versuchen, der Sexualität keinen zu großen Raum zu geben. In Zeiten in den Pornovideos und erotisches Bildmaterial durch das Internet ständig verfügbar sind, bedarf es einer großen Selbstdisziplin.
Neben den wunderbaren Funktionen die Sexualität in unserem Leben hat, hat sie auch die, uns tagtäglich daran zu erinnern, uns nicht zu ernst zu nehmen.