Jugendlichkeit ist hip und angesagt. Und auch die heutige Ü60 Generation ist keinesfalls mehr mit den Alten aus den 1970 er Jahren zu vergleichen. Wer heute in Rente oder Pension geht, hat oft viele der besten Jahre seines Lebens noch vor sich.
Kein Wunder, dass die entsprechenden Personen gerne „Best Ager“ genannt und von Werbung und Industrie als Zielgruppe umgarnt werden.
Trotzdem gibt es ein Thema, bei dem man plötzlich offenbar keinen Anspruch mehr auf einen entspannten Umgang hat. Zumindest dann nicht, wenn man offiziell zum „alten Eisen“ gehört: Sex im Alter.
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Warum ist Sex im Alter so ein (kommunikatives) Tabu?
Gute Frage. Möglicherweise denken viele jüngere Menschen, dass man ab einem bestimmten Alter wohl andere Dinge im Kopf hat.
- Ob die Geranien auf dem Balkon hübsch aussehen,
- der Lotto-Tipp rechtzeitig abgegeben wurde oder
- der Hund noch einmal in den Garten möchte.
- Und nicht zu vergessen die Medikamente und die regelmäßig erscheinende Zeitschrift vom Apotheker des jahrzehntelangen Vertrauens.
Aber Sex im Alter? Inklusive den potenziell dazugehörigen Gebrechen wie Schwerhörigkeit, schlechten Augen, unbeweglichen Knochen oder anderen Problemen?
Das kann doch nicht sein! Ganz davon abgesehen davon, dass sich die meisten jungen Personen ihre (Groß-) Eltern wohl einfach nicht beim Poppen vorstellen wollen.
Von daher liegt die Vermutung nahe, dass es auch der Industrie eher darum geht, chemische Produkte an den Mann und die Frau zu bringen, die die alte Leistungsfähigkeit noch halbwegs aufrechterhalten oder wieder etwas stabilisieren.
Sich aber wirklich einmal verständnisvoll und zwischenmenschlich angenehm mit dem Thema auseinanderzusetzen? Das ist in Bezug auf Sex im Alter ein Trend, der sich erst langsam, aber immer gewaltiger entwickelt.
Richtig so, wie zu beweisen war
Nur, weil man die 60 überschritten hat, wird man nicht plötzlich ein ganz anderer Mensch. Da wir alle Individuen sind, ist es nur logisch, dass sich auch die Lust bei allen von uns ganz unterschiedlich verhält.
Eins ist nach umfassenden Studien zur Sexualität im Alter aber klar: Es mag sein, dass sie sich bei vielen Menschen im Laufe der Zeit verändert – zum Erlöschen kommt sie aber bei Weitem nicht bei allen.
Warum also der netten Oma von nebenan einreden, dass sie dafür doch sowieso schon viel zu verschrumpelt sei?
In der Tat genießen viele ältere Menschen die sexuellen und erotischen Komponenten in ihrem Leben ganz besonders. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass der Sex im Alter oder anderweitige Formen der Zweisam- (oder sogar Dreisam-) keit noch möglich sind. Dazu gehört natürlich das eigene Wollen sowie ein vorhandener, geschätzter Sexpartner. Aber das trifft ja für U60-er genauso zu.
Übrigens: Körperliche Lust empfinden und genießen kann man selbst als pflegebedürftige Person noch ohne Weiteres, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu später aber noch mehr.
Was macht Sex im Alter aus?
Ein klarer Unterschied zu „früheren Zeiten“ dürfte wohl sein, dass man nun seinen Körper, seine Vorlieben und Abneigungen wirklich kennen gelernt hat.
Was nicht bedeutet, dass es nicht immer noch positive Überraschungen und zusätzliche Kicks geben kann – aber die Basis, auf denen sie aufbauen, dürfte bereits klar sein.
Praktischerweise ist es so, dass es bei den meisten Personen jenseits der 60 oder der 70 kaum zu abnehmender Erregbarkeit und Orgasmusfähigkeit kommt. Will sagen: Die Lust auf und das Interesse an Sex müssen keinesfalls geringer werden. Die Mehrheit der Senioren wünscht sich auch nicht von heute auf morgen ganz plötzlich ganz andere Erlebnisse.
Zugegeben, die Bedürfnisse ändern sich – meistens handelt es sich dabei jedoch um einen schleichenden Prozess und nicht um eine Knall-auf-Fall-Aktion.
Dennoch sind einige Aspekte, die Sex im Alter definitiv deutlich besser machen, im Kern nicht groß abwandelbar. Dazu gehören
die Akzeptanz des eigenen Körpers, | eine offene Kommunikation, |
ein ehrlicher Umgang mit vorhandenen Bedürfnissen und | die passende medizinische Betreuung (bei Bedarf). |
Die Akzeptanz des eigenen Körpers
Sich permanent vom relativ flächendeckend suggerierten Jugendwahn zu befreien, nimmt meistens eine geraume Zeit, Geduld und Lebenserfahrung in Anspruch.
Mehr Jahre auf dem Kerbholz zu haben, bedeutet im Alltag, aber auch beim Sex im Alter, sich mit den neuen Gegebenheiten zu arrangieren und das Beste aus ihnen zu machen.
Manch einen mag der Gedanke an Orangenhaut zwar nicht gerade antörnen, aber schon Ina Müller wusste es ihn einem ähnlichnamigen Lied besser.
Und wenn wir ehrlich sind, sind verschmitzte Lachfältchen an den Mundwinkeln und den Augen gar keine schlechte Angelegenheit. Sondern lediglich gelungene Zeichen dafür, dass man ein optimistischer und vergnügter Mensch ist.
Abgesehen davon kann an in vielen Hinsichten etwas dafür tun, sich in seinem Körper wohl zu fühlen.
- Ein gesundes Maß an Bewegung, vielleicht sogar an Sport,
- eine gleichermaßen leckere wie gesunde Ernährung und
- berufliche Tätigkeiten und / oder Hobbys, die man liebt,
tragen effektiv dazu bei, dass man sich selbst mag. Und wer sich selbst mag, der ist auch schneller mit seinem Körper im Reinen. Eine positive Ausstrahlung ist beim Sex im Alter schließlich wie bei allen Altersgruppen fast die halbe Miete.
Darüber hinaus hat auch die Modewelt die Ü60-er für sich entdeckt. Wer heute über 60 ist, muss nicht mehr zwischen Steingrau und Mittelbeige wählen. Erlaubt ist in modischer Hinsicht fast alles, was gefällt und was zum eigenen Typ passt.
Kein Wunder also, dass es inzwischen schon über 80-jährige Supermodels gibt. Doch man muss definitiv kein Supermodel sein, um bei sich selbst anzukommen. Die eigenen Möglichkeiten optimal auszukosten, reicht schon vollkommen aus.
Eine offene Kommunikation
Alles eine Frage der Übung, oder? Doch nicht alle Senioren, die sich nach Sex im Alter sehnen, trauen sich, dieses Thema ihrem Partner gegenüber oder noch weiter „entfernten“ Menschen offen anzusprechen.
Dieser Umstand hat viel mit angelernten Verhaltensweisen zu tun, frei nach dem Motto: „Darüber redet man doch nicht?!“
Aber warum eigentlich nicht? Es spricht nichts dagegen, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu kommunizieren und mit einer Person des eigenen Vertrauens über Sex im Alter zu philosophieren und manche Ideen sogar in die Tat umzusetzen.
Grundlage dafür ist natürlich, das man es schafft, sein eigenes Schneckenhaus (sofern vorhanden) zu erkennen und sich vorsichtig zu öffnen.
Ein Gespräch bedeutet in der Tat nicht, dass man(n) sofort die gesamte Swingerclub-Belegschaft ganz Deutschlands durchvögeln muss.
Aber es weist darauf hin, dass die Themen Sex und Erotik für einen durchaus noch Bedeutung haben. Und bringt gleichzeitig die positive Erkenntnis mit, dass der Partner für einen immer noch attraktiv und begehrenswert ist. Was vor allem für viele Personen, die sich in diesem Punkt nicht ganz sicher sind, Zucker für die Ohren sein dürfte.
Sollte man feststellen, dass die gemeinsame Kommunikation doch nicht so einfach oder reibungslos ist, wie gedacht? Dann besteht vielerorts die Gelegenheit, sich bei Paartherapeuten, Ärzten, pro familia oder anderen Einrichtungen etwas Unterstützung zu holen.
Wichtig dafür ist jedoch zunächst einmal der folgende Punkt:
Ein ehrlicher Umgang mit vorhandenen Bedürfnissen
Die Grundlage einer jeden Kommunikation ist sicherlich, dass man sich für ein Thema, dass man zur Sprache bringen will, interessiert und sich schon ein wenig damit befasst hat.
Beim Sex im Alter spielt in dieser Hinsicht das Bewusstsein für eigene Bedürfnisse die größte Rolle.
Nur, wer seine tatsächlichen Bedürfnisse erkennt und sich traut, auch zu diesen zu stehen, wird tatsächliche Erfüllung erhalten.
Möglicherweise kann aus speziellen Gründen zwar nicht jedes einzelne Bedürfnis bis ins kleinste Detail erfüllt werden. Aber meistens geht doch deutlich mehr, als man zunächst denkt.
Merke: Sprechenden Menschen kann geholfen werden.
Apropos geholfen werden …
Die passende medizinische Betreuung
… ist in Bezug auf Sex im Alter bei Bedarf ebenfalls von Vorteil: Viele Probleme wie
- Erektionsstörungen,
- vaginale Trockenheit,
- Inkontinenz oder
- Prostataprobleme
lassen sich sehr gut und zum Nutzen des allgemeinen Wohlbefindens behandeln.
Voraussetzung dafür ist logischerweise ein offenes Gespräch mit dem Arzt des eigenen Vertrauens.
Doch da manche Malaisen mit zunehmendem Alter eben wahrscheinlicher werden, handelt es sich definitiv um nichts, was einem peinlich zu sein bräuchte.
Besonders spannend, für eine hohe Zahl an Personen aber auch komplex wird es, wenn es um Sex im Alter und eine gewisse Pflegebedürftigkeit und / oder eine fehlende Alltagsmobilität geht.
In diesen Fällen ist eventuell eine Sexualbegleitung die richtige Option.
Sexualbegleiter(innen) begleiten ältere und / oder gehandicapte Personen, wenn es um erotische und / oder sexuelle Wünsche geht. Auf welche Art und Weise das geschieht, hängt von der individuellen Absprache zwischen Kunde und Sexualbegleiter(in) ab.
Grundsätzlich sind keine speziellen Sexspielarten buchbar, stattdessen wird lediglich die gemeinsame Zeit bezahlt. Um welche Praktiken es genau gehen kann, entscheiden die jeweiligen Landesgesetze und die beiden Personen – immer unter dem Grundsatz das alles kann, aber nichts muss.
Im Vordergrund stehen schließlich ein
positives Körpergefühl | gelungene erotische Erlebnisse, |
gegenseitige Zuneigung und Hinwendung | sowie ein höheres Selbstbewusstsein. |
Und das ist noch nicht alles, was für Sex im Alter möglich ist
Dass körperliche Liebe keine Frage des Alters oder eines knackigen Körpers, sondern für jede Generation ein mehr oder weniger wichtiger Bestandteil der Partnerschaft ist? Das haben sich auch die Organisatoren eines Seniorencafés in Köln gedacht und zu einem Frühstück mit dem Thema „Gesundheit durch Liebesspielzeug“ eingeladen.
Wer nun glaubt, die Damen und Herren haben sich von dem ach so schmuddeligen Image von Vibratoren, Gels und anderen Hilfsmitteln abschrecken lassen, der täuscht sich.
Vielleicht war die Runde in Köln nicht ganz so groß wie sonst üblich. Dafür zeigten die Gäste echtes Interesse.
Berührungsängste kannten die Seniorinnen und Senioren jedenfalls nicht.
Als der Referent über Vibratoren und ihre 8.000-jährige Geschichte sprach, ließ er einige Modelle herumreichen. Von wegen Schamesröte – eine der Teilnehmerinnen ließ den Experten angesichts eines Dildos in der Größe eines Stiftes wissen: „Der wäre mir zu klein.“
Besprochen wurden an dem Nachmittag viele Sexspielzeuge, von den Klassikern wie Liebeskugeln und Massageöl über Hilfsmittel für den Mann bis hin zu Glitzersteinen als Brustschmuck und Augenbinden für den besonderen Pepp beim Sex im Alter. Die Zuhörer fanden es interessant und lehrreich. Einige hätten sich mehr Informationen zum liebevollen Miteinander gewünscht, sollte der Sex keine Rolle mehr spielen.
Doch alles in allem bewies der Termin, dass Sex im Alter keineswegs ein Tabu ist und sich die Sexspielzeug-Branche langsam aber sicher bewusst werden sollte, dass es auch eine Zielgruppe jenseits der 60 oder 70 Lenze gibt.
Modelbilder von Colourbox.com